Die Entwicklung und Grundlagen zu Nachhaltiger Entwicklung werden hier kurz und prägnant erläutert. Studierende sind dazu eingeladen die Inhalte für studentische Arbeiten zu verwenden.
Die bis heute weltweit verbreitete Definition Nachhaltiger Entwicklung geht auf die Brundtland-Kommission zurück. "Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen", beschrieb die Kommission in ihrem 1987 ausgegebenen Bericht und setzte damit den Grundstein für ein international anerkanntes Leitbild.
Die Ziele für nachhaltige Entwicklung (engl: Sustainable Development Goals = SDGs) stellen das Kernstück der Agenda 2030 dar. Diese ist geprägt von der Auffassung, dass sich die großen Probleme der Menschheit nur gemeinsam lösen lassen.
Die Sustainable Development Goals (SDGs) bauen auf den Millenium-Entwicklungszielen (Millenium Development Goals – MDGs) auf.1 Die MDGs stellten im Jahr 2000 aufgestellte Ziele für das Jahr 2015 dar. Zu Ihnen zählen etwa die Bekämpfung von extremer Armut und von Hunger, die Stärkung der Rolle der Frauen und die ökologische Nachhaltigkeit (u.a. Zugang zu sauberem Trinkwasser und Biodiversität).2 Wirtschaftlicher Fortschritt soll im Einklang mit sozialer Gerechtigkeit und unter den Bedingungen der Begrenztheit der natürlichen Ressourcen der Erde gebildet werden.3
Es gibt 17 SDGs mit insgesamt 169 Unterzielen.4 Das SDG 4 „Hochwertige Bildung“ enthält den auch für die Hochschulen relevanten Bezug zur Bildung für Nachhaltige Entwicklung: „Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung und nachhaltige Lebensweisen, Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung, eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit, Weltbürgerschaft und die Wertschätzung kultureller Vielfalt und des Beitrags der Kultur zu nachhaltiger Entwicklung.“5
Produkte und Dienstleistungen aber auch die Aktivitäten der Hochschulen können entlang der SDGs an nachhaltiger Entwicklung ausgerichtet werden. So können etwa Lehrveranstaltungen und Forschungsprojekte oder auch der Betrieb der Hochschule selbst unter einem ausgewiesenen Bezug zu einzelnen Unterzielen (aus den 169) her gestaltet werden. Die Leitfrage könnte dabei lauten: „Was kann eine Lehrveranstaltung oder ein Forschungsprojekt zur Erreichung bestimmter Unterziele wie beitragen?“
Die drei Dimensionen werden häufig entweder als Kreisdiagramm mit drei Segmenten, als sich partiell überlappende Kreise oder als ineinander liegende Ellipsen dargestellt. Immer noch weit verbreitet ist daneben das Bild von drei gleichen Säulen, die gemeinsam das Dach der Nachhaltigen Entwicklung tragen.
Diese konkurrierenden Bilder drücken das Ringen um vermutete vorhandene oder zu gestaltende Beziehungen zwischen den drei Dimensionen aus. Diese Beziehungen können komplementär, konkurrierend oder bedingend sein. Letzteres drückt dabei eine vermutete, klare Hierarchie zwischen den Zieldimensionen aus.
Eine Darstellung als Kreisdiagramm mit drei Segmenten bietet deutlich bessere Möglichkeiten, die Beziehungen zwischen den Dimensionen darzustellen. Es wird deutlicher, dass die Dimensionen voneinander abhängen. Sie können sich verstärken oder hemmen. Ein klassisches Beispiel für eine Synergie ist der effizientere Ressourceneinsatz, der sowohl ökonomisch als auch ökologisch vorteilhaft ist.
Die Darstellung mit partiell überlappenden Kreisen bietet sich an, wenn Schwerpunkte der Nachhaltigen Entwicklung skizziert werden sollen. Diese entstehen an den Schnittflächen zwischen zwei Kreisen:
Diese Darstellung betont die Bedingtheit der drei Dimensionen. In der Regel wird die Ökologie als größte Ellipse dargestellt. Innerhalb der planetary boundaries, der ökologischen Tragfähigkeit der Erde, organisiert sich die Gesellschaft. Die Wirtschaft erscheint hier nur als Subsystem der gesellschaftlichen Sphäre. Sie kann sich nur innerhalb der ökologischen und gesellschaftlichen Sphäre entfalten.
Im betrieblichen Kontext wird gerne von der sog. Triple Bottom Line gesprochen. Diese dreifache Saldozeile resümiert die unternehmerische Performance anhand des finanziellen, ökologischen und gesellschaftlichen (engl. social) Überschusses, der durch das Unternehmen erzeugt wird. Allerdings bleibt das Verhältnis zwischen den Dimensionen weitgehend ungeklärt. ABER: Wie viel ökologischer und sozialer Überschuss muss ein Unternehmen aufweisen, um weiter legitim (moralisch gerechtfertigt) weiterbestehen zu können? Darauf gibt die Triple Bottom Line keine klare Antwort. Und auch das Bild der Säulen kommt hier an eine Grenze: Es soll ja ausdrücken, dass die drei Dimensionen gleichberechtigt sind. Allerdings reichen auch zwei oder sogar eine Säule aus, um das Dach zu tragen. Auch hängen die Säulen nicht voneinander ab, jede steht für sich. Die möglichen, komplexen Beziehungen können so nicht abgebildet werden.
Vergleiche auch:
Michelsen, G., & Adomßent, M. (2014). Nachhaltige Entwicklung: Hintergründe und Zusammenhänge. In Nachhaltigkeitswissenschaften (pp. 3-59). Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg.
Der Grund liegt darin, dass hierfür ein enormes Wissen über die Bedürfnisse heutiger und kommender Generationen und die nachhaltigkeitsrelevanten Konsequenzen der Befriedigung dieser Bedürfnisse nötig wäre. Hierzu wurden die SDGs entwickelt. Ein einzelner Entscheidungsträger (z.B. Konsument:in oder Einzelunternehmer:in) ist hier allerdings schnell überfordert, da die Kosten der Informationsbeschaffung sehr hoch wären. Für reale Entscheidungssituationen existieren aber handlungsleitende Strategien, die operationalisierbar sind.
Diese drei Strategien der nachhaltigen Entwicklung sind Effizienz, Konsistenz und Suffizienz. Sie bieten Kriterien zur Beurteilung der Vorteilhaftigkeit von Handlungen im Sinne einer plausiblen Erfüllung der Brundtland-Definition an. Bevor die Strategien vorgestellt werden, ist es wichtig zu wissen, dass sie aus unterschiedlichen Zusammenhängen stammen. Dies erklärt auch, dass sie durchaus zu unterschiedlichen NE-Bewertungen desselben Sachverhaltes führen können.
Die Effizienz ist hier zunächst der Quotient aus Output und Input eines technischen Prozesses oder konkret etwa einer Maschine. Das ökonomische Rationalprinzip verlangt eine Maximierung dieses Quotienten: Maximiere die Zielerreichung (hier: den Output) für einen gegebenen Mitteleinsatz (hier: Input). Alternativ kann auch der Input für einen gegebenen Output minimiert werden1. Effizienzsteigerungen können dann den Ressourcenverbrauch reduzieren, ohne dass weniger von einem Gut verbraucht wird. Es ist also keine Verhaltensänderung notwendig. Allerdings kann eine effizientere Produktion zu sinkenden Preisen führen. Diese führen dann wieder zu gesteigerter Nachfrage und damit einem gesteigerten Ressourcenverbrauch. Dieses Phänomen wird Rebound-Effekt genannt. Ein Beispiel sind LED-Leuchtmittel, die wesentlich weniger Strom verbrauchen als konventionelle Glühbirnen. Dies kann dazu führen, dass vermehrt das Licht angelassen wird, weil es ja "fast nichts" kostet. Ein Beispiel, das sich für den Alltag gut umsetzen lässt, ist die Tröpfchenbewässerung. Damit kann nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch im eigenen Garten bis zu 80% Wasser eingespart werden.
Wenn also Effizienz nicht aus sich heraus eine nachhaltige Entwicklung erreichen kann, muss man von der Mengenbetrachtung (Menge Input und Menge Output) zu einer Qualitätsbetrachtung kommen. Man muss also fragen, um welche Art von Input und Output es sich denn handelt. Und die industriellen Stoffkreisläufe müssen besser oder sogar vollständig in die natürlichen Stoffkreisläufe eingebettet sein.2 Praktische Bedeutung erlangt hat dieses Konzept mit dem sogenannten Cradle-to-Cradle-Ansatz. Stoffe sollen nicht von der Wiege (engl. cradle) ihren Weg zur Bahre nehmen, d.h. als Abfall enden, sondern nach Ihrer Nutzung erneut als Produktgrundstoff Verwendung finden können.3 Beispiele sind hierbei die Nutzung von kompostierbarer Kleidung oder von Produkten aus recyceltem Plastik. Auch die Verwendung von Mehrwegflaschen, statt Einwegflaschen zählt zur Konsistenz.
Allerdings ist fraglich, ob die Konsistenzstrategie rechtzeitig hinreichend realisiert werden kann. Innovationen für "Cradle to Cradle" benötigen Zeit und sind in ihren Wirkungen oft noch unbekannt. Hier liegt die Bedeutung der Strategie der Suffizienz. Beschränkungen des Stoff- und Energieumsatzes bei Produktion und Konsum sollen es ermöglichen, innerhalb der ökologischen Grenzen der Belastbarkeit der Erde zu leben.4 Allerdings ist fraglich, ob eine solche Veränderung der Konsumgewohnheiten gelingen kann. Linz (2015)5 bietet einen Einblick in die politischen Handlungsoptionen und ihre Eingriffstiefe.
Es bleibt eine offene Frage, welche Bedeutung die drei Strategien im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung haben. Entscheidend ist dabei, welche Realisierungschancen der Konsistenz aus technologischer und der Suffizienz aus anthropologischer Sicht zugestanden werden. Effizienz alleine hingegen erscheint als notwendiges aber nicht hinreichendes Konzept.
Im Alltag können öffentliche Verkehrsmittel oder Car-Sharing-Angebote statt des eigenen Autos genutzt werden. Auch mit einer minimalistischen Lebensweise lässt sich die Suffizienz umsetzen. Dabei geht es nicht darum, möglichst wenig zu besitzen, sondern nur die Dinge zu konsumieren und zu besitzen, die wirklich benötigt werden und diese Dinge wertzuschätzen und pfleglich mit ihnen umzugehen.
1 Werner Neuss (2009): Einführung in die Betriebswirtschaftslehre aus institutionenökonomischer Sicht. S. 4
2 Joseph Hubert (2000): Industrielle Ökologie: Konsistenz, Effizienz und Suffizienz in zyklusanalytischer Betrachtung. S. 3-5
3 Braungart, McDonough & Bollinger (2007): Cradle-to-cradle design: creating healthy emissions – a strategy for eco-effective product and system design. S. 1338
4 Linz et al. (2002): Von nichts zu viel: Suffizienz gehört zurZukunftsfähigkeit. Über ein Arbeitsvorhaben des Wuppertal Instituts, Wuppertal Papers, No.125, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, Wuppertal, S. 10f.
5 Manfred Linz (2015): Suffizienz als politische Praxis
Der Ursprung des Nachhaltigkeitsbegriffs geht auf das 17. Jahrhundert zurück. Seitdem gab es verschiedene politische Stationen, die die Begriffsentwicklung prägten.
Der englischsprachige Terminus »sustainable« wird nach Grober1 wahrscheinlich erstmals im Bericht des Club of Rome (1972) in seiner "modernen Bedeutung" verwendet. Im Deutschen findet sich der Fachbegriff »nachhaltig« nach Grober2 vermutlich bereits 1809 das erste Mal in einem Lexikon, dem Wörterbuch der deutschen Sprache von Campe. Grober resümiert die Begriffsgeschichte wie folgt: "Ob im maßgeblichen deutschen Wörterbuch von 1809 oder im bahnbrechenden Bericht von 1972 - Nachhaltigkeit erscheint in beiden Fällen als Gegenbegriff zu "Kollaps"3.
Auch wenn die lexikalische Erfassung vermutlich erst später erfolgte, ist doch der Titel „Sylvicultura oeconomica oder Anweisung zur wilden Baumzucht“ von Hans Carl von Carlowitz (1713)4 die Quelle „des klassischen Nachhaltigkeitsbegriffs“. Carlowitz stand vor dem Problem, dass der Silberbergbau im Erzgebirge in Gefahr war, da die zur Verhüttung nötigen Waldbestände knapp wurden. Carlowitz bringt hier die entscheidende Begriffsdimension hinzu: Die Zeit. Es soll nicht nur "pfleglich" mit dem Wald umgegangen werden, sondern so, dass auch in Zukunft eine Nutzung des Waldes möglich sein wird. Ausgehend von der deutschen Forstwirtschaft fand der Begriff dann Eingang in die französische und englische Sprache.5
Wegen des großen Engagements einzelner Staaten, einer besonderen Atmosphäre bei den Verhandlungen und der globalen Berichterstattung in den Medien gilt der „Erdgipfel“ von Rio als „ein zentrales Ereignis der Geschichte der Bemühungen um nachhaltige Entwicklung“.6
Auf der Konferenz für Umwelt- und Entwicklung der UN (UNCED) in Rio de Janeiro 1992 stand die Übersetzung in Handlungsverpflichtungen im Zentrum. Verpflichtete waren dabei die Nationalstaaten, die in der Folge etwa nationale Nachhaltigkeitsstrategien ausarbeiteten (in Deutschland im Jahr 2002). Nachhaltige Entwicklung ist dabei zu einem Thema für alle gesellschaftlichen Akteursgruppen wie der öffentliche Sektor (u.a. die Kommunen über die Agenda 21), die Wirtschaft, die Forschung und der Bildungssektor geworden.7
Konkretes Ergebnis des Gipfels waren fünf Erklärungen. Die Deklaration von Rio greift den Gedanken der intra- und intergenerationellen Gerechtigkeit aus dem Bericht der Brundtland-Kommission auf. Es gilt der Grundsatz, dass „das Recht auf Entwicklung so erfüllt werden muss, dass den Entwicklungs- und Umweltschutzbedürfnissen heutiger und zukünftiger Generationen in gerechter Weise entsprochen wird.“8
Die Agenda 21 enthält ein Aktionsprogramm zur Umsetzung der Ziele. Sie ist breit angelegt und reicht von Armut und Gesundheit über Wüsten und Meer hin zu zielgruppenspezifischen Perspektiven (Frauen und Kinder etwa). Unter anderem wird Bildung und Wissenschaft als geeignetes Umsetzungsinstrument aufgeführt. Weitere Dokumente betreffen das Klima, die biologische Vielfalt und die Wälder. Zwar enthalten diese Dokumente keine Verpflichtungen der teilnehmenden Staaten, trotzdem wirkt die Konferenz von Rio als ein starker Impulsgeber bis heute nach.9
Die Brundtland-Kommission (UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung) war 1983 mit dem Ziel gegründet worden, „Handlungsempfehlungen zur Erreichung einer dauerhaften Entwicklung zu erarbeiten“.10
Im Brundtland-Bericht "Our Common Future" wurde die Definition für Nachhaltige Entwicklung konkretisiert. Demzufolge ist Nachhaltige Entwicklung, nach der weithin anerkannten Definition der Brundtland-Kommission, eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generation befriedigt, ohne die Möglichkeit zukünftiger Generationen zu gefährden, deren Bedürfnisse zu befriedigen.11 Im Mittelpunkt steht hier der Mensch mit seinen Bedürfnissen. Man kann diese Definition der Nachhaltigen Entwicklung deswegen auch als anthropozentrisch beschreiben. Die Gründung der Kommission fand vor dem Hintergrund zahlreicher miteinander verbundener Probleme aus dem ökologischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Bereich statt.12
1 Grober, Ulrich (2013): Die Entdeckung der Nachhaltigkeit. Zur Genealogie eines Leitbegriffs. In: Enders, Judith C. und Remig, Moritz: Perspektiven nachhaltiger Entwicklung - Theorien am Scheideweg, Marburg 2013, S. 141.
2 Grober, Ulrich (2013): 15.
3 Grober, Ulrich (2013): 15.
4 Carlowitz, H. C. (2000). Sylvicultura Oeconomica–oder Anweisung zur wilden Baumzucht, 1713. Reprint der TU BA Freiberg.
5 Grober, Ulrich (2013):19ff.
6Grunwald & Kopfmüller (2012): 25. um.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-um/intern/Dateien/Dokumente/2_Presse_und_Service/Publikationen/Umwelt/Nachhaltigkeit/Leitfaden_N_-Berichte_fuer_Kommunen.pdf www.nachhaltigkeit.info/artikel/weltgipfel_rio_de_janeiro_1992_539.htm
7Grunwald & Kopfmüller (2012): 12.
8Grunwald & Kopfmüller (2012): 25f.
9Grunwald & Kopfmüller (2012): 26f.
10Grunwald, A., & Kopfmüller, J. (2012). Nachhaltigkeit: 2. Campus Verlag, S. 23 unter Bezugnahme auf Hauff 1987: 1 ff.
11[WCED] World Commission on Environment and Development, B. C. (1987). Our common future. Report of the world commission on environment and development. Hauff, V., & Commission mondiale sur l'environnement et le développement. (1987). Unsere gemeinsame Zukunft: Weltkommission für Umwelt und Entwicklung. Eggenkamp Verlag.
12Grunwald & Kopfmüller (2012): 23.